Immer wieder werde ich gefragt, warum ich den Kindern so gerne Märchen vorlese und erzähle - und warum diese sie auch so gerne hören (schließlich gibt es doch viel modernere Geschichten für Kinder!).
Tja, und dann gerate ich ins Schwärmen. Darüber, wie die Wurzelkinder zur Ruhe kommen und aufmerksam zuhören. Darüber, wie Märchen die Fantasie beflügeln, das Vertrauen stärken und den Glauben und die Hoffnung wecken, dass am Ende eben doch alles gut werden kann, wenn man nur daran glaubt und auch etwas dafür tut. Darüber, wie Märchen ganz nebenbei noch den Wortschatz erweitern - und dies nicht einfach nur um "Worte", sondern um "schöne Worte", "besondere Worte". In Märchen malt die Sprache Bilder. (Ich gerate schon wieder ins Schwärmen) Und schließlich schwärme ich davon, wie Märchen die Empathie in den Wurzelkindern weckt. Sie fühlen mit, kämpfen mit, leiden mit und freuen sich mit den Protagonisten des jeweiligen Märchens und werden so befähigt, sich auch in andere Menschen einzufühlen, mitzufühlen und adäquat zu handeln.
Wir sagen hier immer: "Bücher sind Schätze!" und so gehen wir auch mit ihnen um. Behutsam, sorgfältig - und für Märchenbücher gilt dies ganz besonders. Sie machen es uns aber auch besonders leicht als Schätze wahrgenommen zu werden, so "besonders" wie sie oft daher kommen mit ihren schönen Zeichnungen und zum Teil auch kalligraphischen Lettern.
Im Herbst und Winter haben unsere Märchenstunden zudem einen besonderen Zauber.
Draußen dunkelt es immer mehr, man spürt schon beim Blick aus dem Fenster eine gewisse Kälte.
Setzt man sich nun mit dem "Märchenschatz" vor den brennenden Kamin, oder in einen von Kerzen erleuchteten Raum, entsteht diese besondere Stimmung: "Märchenstimmung".
Noch schöner, als das Vorlesen von Märchen, ist das Erzählen dieser wundervollen Geschichten.
Mit Augenkontakt und durch Gestik und Mimik verstärkt, wirkt die Moral und das phantastische Erlebnis im Kind noch viel länger nach.
Bei den Wurzelkindern konnte ich beobachten, dass sie nach dem Erzählen eines Märchens dieses viel häufiger in ihr Spiel einfließen lassen, als beim reinen Vorlesen.
Da wird die "Ostheimer-Kiste" im Kinderzimmer fleißig nach den rechten Figuren durchsucht und es fallen Worte wie "Ross", "holde Maid" und "garstiger Frosch" - dies sind mit die schönsten Momente zum Mäuschen spielen, strickend in einer Ecke des Raumes oder kochend von der Küche aus. Wie sie in verschiedene Rollen schlüpfen, wie ich beim Erzählen, ihre Stimmen verstellen und selbst dem Wurzelmädchen bedeutungsvolle Rollen zuweisen, wie beispielsweise den 7. Zwerg, der seither leider verschollen ist (er ist wohl gerade verreist ;) ).
Nicht, dass es eine Rolle spielt, (da ich ja selbst den Wert der Märchen für die Wurzelkinder sehe und aktiv erleben darf) aber hier noch ein paar Zitate schlauer Männer über den Wert von Märchen:
“…Da ist es ja so, dass wir durch die Anthroposophie wieder lernen, an die Legenden, an die Mythen selber zu glauben, weil sie in der Imagination die höhere Wahrheit ausdrücken.”
Rudolf Steiner
“Wenn du intelligente Kinder willst, lies ihnen Märchen vor. Wenn du noch intelligentere Kinder willst, lies ihnen noch mehr Märchen vor.”
Albert Einstein
“Wir meinen, das Märchen und das Spiel gehöre zur Kindheit: wir Kurzsichtigen! Als ob wir in irgend einem Lebensalter ohne Märchen und Spiel leben möchten!”
Friedrich Wilhelm Nietzsche
In diesem Sinne einen wundervollen Abend und märchenhafte Träume wünscht Euch,
Eure Frau Wurzelzwerg